Leitbild der Salzburger Rechtsanwaltskammer, erarbeitet in der Klausur des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer im April 2011
I. Präambel
Die Salzburger Rechtsanwaltskammer und ihre Funktionäre haben im Rahmen der Gesetze, der Beschlüsse der Delegierten zum Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, der eigenen Satzungen und Vollversammlungsbeschlüsse nach Kräften ein Umfeld zu schaffen, das den Mitgliedern der Salzburger Rechtsanwaltskammer die Erbringung professioneller, klientenorientierter und unter allen Umständen verschwiegener Rechtsberatung und Parteienvertretung ermöglicht.
Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn für die bestmögliche Aus- und Fortbildung aller RechtsanwaltsanwärterInnen und aller RechtsanwälteInnen gesorgt wird, eine möglichst freie und geordnete Berufsausübung gewährleistet wird und die Aufgaben der Standesvertretung in einer, modernen und kostengünstigen Organisationsstruktur wahrgenommen werden.
Die Ausübung des freien Berufes des Rechtsanwalts/der Rechtsanwältin bedeutet die Übernahme von Verantwortung. Der unabhängige und freie Rechtsanwalt/In steht im Dienste des Individuums, der Bürgerin und des Bürgers sowie der auftraggebenden Unternehmungen und Institutionen, aber auch des Gemeinwohls, des Rechtsstaates und der Gesamtgesellschaft.
Für Rechtsanwält/Innen hat der Schutz des Vertrauensverhältnisses zu Ihren Klienten oberste Priorität. Dazu gehört absolute Verschwiegenheit im Sinne der Wahrung des Berufsgeheimnisses, das Eintreten für das wohlverstandene Interesse des Klienten und das Vermeiden von Interessenkonflikten.
Die Rechtsanwält/Innen sind von Interessen Dritter unabhängige Rechtsvertreter, Rechtsberater und Verteidiger in Strafsachen, die ihren Beruf in Eigenverantwortung ausüben. Sie erbringen individualisierte Leistungen. Die Leistungserbringung ist eng mit der Person, dem Wissen, der Kompetenz und Kreativität der Rechtsanwält/Innen verbunden.
Die Rechtsanwält/Innen sind einem Berufsethos verpflichtet. Dieses umfasst insbesondere Standards für freiberufliche Berufsausübung und wird durch die im Rahmen der autonomen Selbstverwaltung tätigen Standesorganisationen im Interesse der Klienten geschützt. Dies unterscheidet sie wesentlich von rein kommerziellen Dienstleistern. Die Selbstverwaltung ist als freiberufliches Organisationsprinzip notwendig und soll effizient, sowie transparent sein und sich am Wohle der Gesellschaft orientieren.
II. Aus- und Fortbildung
1. Dem Rechtsanwalt/Innen kommt im Rechtsstaat die Aufgabe zu, die ihm von den Klienten und Klientinnen anvertrauten Interessen vor Gerichten, Behörden und gegenüber Dritten zu vertreten. Die Erfüllung dieser Aufgabe setzt ein hohes Niveau an Rechtskenntnissen in einem immer internationaler werdenden Umfeld voraus.
2. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer bekennt sich dazu, dieses hohe Niveau an fachlichem Wissen durch eine bestmögliche Ausbildung des Berufsnachwuchses zu erreichen. Die in § 2 der Rechtsanwaltsordnung festgelegte Ausbildung und deren Dauer sollen garantieren, dass Rechtsanwaltsanwärt/Innen jene theoretische und praktische Ausbildung erfahren, die ihre spätere Berufstätigkeit verlangt.
3. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer ist überzeugt davon, dass der Rechtsanwalt/In, der für die Ausbildung seines Rechtsanwaltsanwärters/In verantwortlich ist, diesem ermöglichen soll, Erfahrungen in möglichst allen Rechtsbereichen zu erlangen. Aufgabe des Rechtsanwaltsstandes ist es, begleitend hierzu praxisorientierte Ausbildungsveranstaltungen (etwa im Rahmen der Anwaltsakademie) zur Verfügung zu stellen.
4. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer ermutigt Kollegen/Innen, sich wissenschaftlich zu betätigen. Sie begrüßt das internationale Engagement der Berufsanwärter/Innen und den transnationalen Austausch von Berufsanwärtern/Innen.
5. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer ist der Ansicht, dass eine finanzielle Absicherung der Rechtsanwaltsanwärter/Innen Voraussetzung dafür ist, sich während der Ausbildung auf die Aufgaben des zukünftigen Berufes vorbereiten und fortbilden zu können. Dies hat die Bezahlung eines an der Leistung einerseits und der Ausbildung andererseits orientierten Gehaltes zur Voraussetzung.
6. Die laufende Fortbildung ist für Rechtsanwält/Innen zur Berufsausübung unumgänglich. Diese hat insbesondere durch laufende Lektüre von Entscheidungen und Fachliteratur sowie den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen zu erfolgen.
III. Freie und geordnete Berufsausübung
1. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer bekennt sich zur Aufrechterhaltung und Festigung der Rechtsanwaltschaft als freier Beruf. Sie befürwortet daher grundsätzlich Deregulierungsmaßnahmen sowie den Abbau von standesrechtlichen Vorschriften, soweit dadurch nicht die für das anwaltliche Selbstverständnis zentralen Bestimmungen über die Verschwiegenheit, Vertrauenswürdigkeit und Unabhängigkeit tangiert werden.
2. Im Sinne des Grundrechtschutzes und der Wahrung der Freiheitsrechte und im Interesse der Bürger/Innen sind Angriffe und Eingriffe betreffend die anwaltliche Verschwiegenheit wie etwa Meldepflichten in den EU-Geldwäscherichtlinien oder die Vorratsdatenspeicherung abzuwehren und gemeinsam mit anderen Rechtsanwaltskammern zu bekämpfen.
3. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer fordert die Verankerung des Grundrechtes jedes Bürgers/in auf Beiziehung eines rechtsanwaltlichen Vertreters in allen Verfahren.
4. Die Einrichtung interdisziplinärer Partnerschaften wird abgelehnt, weil solche weder der Anwaltschaft noch dem rechtsschutzsuchenden Klienten dienlich wären.
5. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer bekennt sich dazu, nach den Richtlinien der Vereinbarung über die Errichtung eines Fonds zum subsidiären Ausgleich von Not- und Härtefällen infolge anwaltlichen Fehlverhaltens (Notfall-Fonds) als freiwillige Leistung ohne rechtliche Verpflichtung unter besonderer Berücksichtigung sozialer und wirtschaftlicher Umstände Schadensgutmachung zu leisten.
6. Die Übernahme und Abwicklung von Treuhandschaften durch Rechtsanwält/Innen ist ein wichtiger Bestandteil rechtsanwaltlicher Berufsausübung. Die sachgerechte Abwicklung von Treuhandschaften bedarf aufgrund oftmals komplexer Zusammenhänge eines hohen Maßes an Sachkenntnis und Sorgfalt. Mit dem Treuhandbuch der Salzburger Rechtsanwaltskammer wurde bereits eine Einrichtung geschaffen, in deren Rahmen die Rechtsanwält/Innen sich der Überprüfung ihrer Treuhandabwicklung durch die von der Salzburger Rechtsanwaltskammer bestellten Treuhandrevisoren unterworfen haben.
Mit der Neufassung des nunmehr für alle Rechtsanwält/Innen verpflichtenden Treuhandstatutes der Salzburger Rechtsanwaltskammer per 1.1.2010 und einer Bankenvereinbarung konnte zudem bei der nun verbindlich vorgeschriebenen Abwicklung von Treuhandschaften ausschließlich über Treuhandkonten mit Dispositionskontrolle Versicherungsschutz gegen vorsätzlich treuwidrige Verfügungen bis zu € 7.267.283,– pro Einzelfall erlangt werden.
7. Jeder Rechtsanwalt/In ist verpflichtet eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der Risken betreffend seine berufliche Tätigkeit abzuschließen und während der Dauer seiner Berufstätigkeit aufrecht zu erhalten. Zur Eindeckung dieses Risikos wurde als Option seitens der Salzburger Rechtsanwaltskammer eine Großschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen und soll aufrecht erhalten werden.
IV. Soziale Absicherung
1. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer tritt in Förderung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Anwaltsstandes gegen quersubventionierte Vereine, die in typische Tätigkeits- und Aufgabenbereiche der Anwaltschaft einzudringen versuchen, auf und fordert die Neufassung und Verschärfung der Winkelschreibereibestimmungen im Rahmen einer RAO-Novelle.
2. Den Versuchen zur Aushöhlung des Umfanges anwaltlicher Vertretungstätigkeit (Änderungen in den Bestimmungen über den Anwaltszwang) tritt die Salzburger Rechtsanwaltskammer entschieden entgegen.
3. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer fördert Maßnahmen zur Erschließung neuer Tätigkeitsgebiete für die Rechtsanwaltschaft wie
Mediation und außergerichtliche Streitschlichtung (ADR) durch Rechtsanwälte/Innen
Schiedsgerichte, wie insbesonders das bei der Salzburger Rechtsanwaltskammer eingerichtete Schiedsgericht.
4. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer befürwortet den Ausbau von modernen Kommunikationsmitteln im Rahmen der Berufsausübung durch
Urkundenregister, Testamentsregister, Register für Patientenverfügungen
Internetauftritt
die Durchführung von offenen Seminaren mit Teilnehmern aus verwandten Berufen
5. Die Weiterentwicklung eines leistungsgerechten Honorierungssystems zur Sicherung eines angemessenen Einkommens der Rechtsanwält/Innen ist eine wichtige Aufgabe der Standesvertretung.
6. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer spricht sich für die Beibehaltung der bisherigen Regeln der Pauschalvergütung in Verfahrenshilfesachen anstatt einer Direktverrechnung aus. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer fordert die Novellierung der Bestimmung des § 16 Abs. 4 RAO betreffend die Kostentragung der Rechtsanwaltskammern.
7. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer strebt gemeinsam mit den anderen Rechtsanwaltskammern Österreichs die Vereinheitlichung der Statuten zur Versorgungseinrichtung und die Schaffung eines praktikablen Huckepacksystems bei Wechsel von Rechtsanwält/Innen zwischen den Kammern an. Die Politik der moderaten Anhebung von Pensionsleistungen zur Sicherstellung der Finanzierung soll beibehalten werden sowie die Anhebung der Beiträge zum Teil B der Versorgungseinrichtung nach Maßgabe der Indexsteigerungen.
V. Organisationsstruktur
1. Die Unentgeltlichkeit der Funktionsausübung bei Befreiung von der Verfahrenshilfe soll beibehalten werden, wobei Disziplinarrät/Innen von Verfahrenshilfesachen analog ihrer tatsächlichen Belastung befreit werden; Reisekosten werden nach Maßgabe des tatsächlichen Aufwandes abgegolten.
2. Einmal jährlich soll eine Klausurtagung der Ausschussmitglieder unter fallweiser Einbeziehung des Präsidiums des Disziplinarrates und sonstiger Funktionäre zur Bearbeitung grundsätzlicher Fragen abgehalten werden.
3. Die Salzburger Rechtsanwaltskammer tritt für die Beibehaltung der autonomen Länderkammern ein, da lokale Aufgaben besser und günstiger in den Ländern erfüllt werden können.
VI. Anpassung des Leitbildes an neue Aufgaben
Die wesentlichen Aussagen des Leitbildes sollen bei Bedarf, jedenfalls zu Beginn einer Funktionsperiode eines Präsidenten überprüft und den Zukunftsaufgaben angepaßt werden. Dieses Leitbild wurde durch die Mitglieder des Ausschusses Dr. Wolfgang Berger, RAA Mag. Hans-Peter Fischer, VP Dr. Erich Greger, Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Präsident Dr. Leopold Hirsch, VP Dr. Wolfgang Kleibel, Dr. Robert Krivanec, Dr. Harald Kronberger, Dr. Christian Mahringer, RAA Mag. Barbara Piralli, Dr. Michael Schubeck, Dr. Sonja Schröder, Dr. Wilhelm Sluka, VP des ÖRAK Dr. Rupert Wolff und den Vizepräsidenten des Disziplinarrates der Salzburger Rechtsanwaltskammer Dr. Walter Aichinger anlässlich der Klausurtagung im April 2011 erarbeitet.